Unternehmergesellschaft: Einberufung der Gesellschafterversammlung bei Schieflage

Wann ist bei einer Schieflage der Unternehmergesellschaft zwingend die Gesellschafterversammlung  einzuberufen?

Gesellschafterversammlung: Oberstes Organ der Willensbildung der Unternehmergesellschaft

Bei der Gesellschafterversammlung handelt es sich um das oberste Willensbildungsorgan der Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt). Sie wird in der Unternehmergesellschaft durch die Geschäftsführer einberufen. Wesentliche Entscheidungen sind folglich der Gesamtheit der Gesellschafter vorbehalten.

 

Ein wesentlicher Unterschied von Unternehmergesellschaft und GmbH besteht darin, dass bei der Unternehmergesellschaft für die Einberufung der Gesellschafterversammlung nicht – wie bei der GmbH – an den Verlust des hälftigen Stammkapitals wie in §49 Absatz 3 GmbHG angeknüpft wird, sondern bei der Unternehmergesellschaft die drohende Zahlungsunfähigkeit gemäß §5a Absatz 4 GmbHG entscheidend ist.

 

Genauer: Nach §49 Absatz 3 GmbHG muss die Gesellschafterversammlung der GmbH „insbesondere“ unverzüglich einberufen werden, wenn sich „aus der Jahresbilanz oder einer im Laufe des Geschäftsjahres aufgestellten Bilanz … ergibt, dass die Hälfte des Stammkapitals verloren ist.“

 

Die Regelung des §49 Absatz 3 GmbHG wird für die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) durch §5a Absatz 4 GmbHG abgeändert, indem nun dort auf die „drohende Zahlungsunfähigkeit“ anstatt des hälftigen Verlustes des Stammkapitals abgestellt wird.

 

Anmerkung: In der Fachliteratur gibt es abweichende Interpretationen, die den §5a Absatz 4 offenbar neben den §49 Absatz 3 treten lassen wollen. Diesen Deutungen folge ich jedoch nicht, da nach meiner Auffassung das Wort „Abweichend“, das in §5a Absatz 4 verwendet wird, eindeutig ist.

Unternehmergesellschaft: Zahlungsunfähigkeit

Der Unterschied zwischen drohender und eingetretener Zahlungsunfähigkeit

Drohende Zahlungsunfähigkeit liegt nach §18 Absatz 2 InsO dann vor, wenn die Unternehmergesellschaft voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungsverpflichtungen zum Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen. Der Unterschied zur bereits eingetretenen Zahlungsunfähigkeit (§17 Absatz 2 Satz 1 InsO) besteht darin, dass nicht nur auf die gegenwärtig fälligen Zahlungsverpflichtungen, sondern auch auf zukünftig fällig werdende Zahlungsverpflichtungen abzustellen ist.

 

Also: Da es bei der Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) kein Mindeststammkapital gibt und das Startkapital üblicherweise recht gering ausfallen dürfte, bietet sich die drohende Zahlungsunfähigkeit als Anknüpfungspunkt für die unverzügliche Einberufung der Gesellschafterversammlung an.  In der Praxis dürfte sie meiner Meinung nach der letzte Zeitpunkt für Maßnahmen zur Rettung der Unternehmergesellschaft sein.

Sinn und Zweck der Abänderung von §49 Absatz 3 GmbHG durch §5a Absatz 4 GmbHG bei Unternehmergesellschaften

Der Sinn und Zweck der Abänderung von §49 Absatz 3 durch §5a Absatz 4 GmbHG erklärt sich vor dem Hintergrund des oft sehr niedrigen Kapitals der Unternehmergesellschaft, das schon kurz nach der Gründung

  • zu wenigstens der Hälfte oder
  • sogar vollständig

verbraucht sein kann.

 

Übrigens: Auch bei der Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) besteht die Pflicht des bzw. der Geschäftsführer nach §49 Absatz 2 GmbHG, wonach die Gesellschafterversammlung stets dann einzuberufen ist, wenn es „im Interesse der Gesellschaft erforderlich erscheint“. Und das dürfte bei einer Krise der Unternehmergesellschaft bereits vor der drohenden Zahlungsunfähigkeit der Fall sein.

 

Die Einberufung der Gesellschafterversammlung hat unter den Voraussetzungen des §5a Absatz 4 GmbHG unverzüglich zu erfolgen; eine mögliche Insolvenz soll im Vorfeld erkannt werden und es soll den Gesellschaftern ermöglicht werden, mit vereinter Kraft rechtzeitig Gegenmaßnahmen einzuleiten. Derartige Gegenmaßnahmen könnten in bestimmten Beschlüssen der Gesellschafterversammlung, bspw. zu einer Sanierung, bestehen.

 

Zu beachten: Da die Gläubiger im Falle einer Insolvenz grundsätzlich schlechter abschneiden dürften, als im Rahmen einer Sanierung, weist die hier besprochene Vorschrift einen gläubigerschützenden Charakter auf.

 

Autor:  Rinteln


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