Die Krise der Unternehmergesellschaft: Idealtypischer Krisenverlauf

Welche Krisenphasen bzw. -stadien durchlaufen Unternehmen im Rahmen einer Unternehmenskrise typischerweise?

Welche Besonderheiten gelten für die Unternehmergesellschaft?

 

Nach meiner Erfahrung ist ein überraschendes Auftreten einer Unternehmenskrise in der Praxis eher der Ausnahmefall. Vielmehr entwickelt sich in etablierten Unternehmen eine Krisensituation in der Regel „schleichend“, d.h. über einen längeren – oftmals mehrjährigen – Zeitraum. Dabei bleiben die eigentlichen Krisenursachen häufig für längere Zeit unentdeckt. Bis eine Krise letztendlich sichtbar hervortritt, hat sie oftmals typische, aufeinander aufbauende Krisenstadien durchlaufen.

 

Bei einer Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) kommt erschwerend hinzu, dass 

  • die Strukturen der Unternehmergesellschaft häufig noch nicht vollständig aufgebaut bzw. noch nicht gefestigt sind,
  • die Kapitalausstattung der Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) gering ist,
  • die handelnden Personen oftmals wenig Erfahrung in der Unternehmensführung einer Kapitalgesellschaft - geschweige denn mit Unternehmenskrisen - haben (was keinesfalls als Vorwurf zu verstehen ist).

Aus diesem Grunde besteht die Gefahr, dass die - in etablierten Unternehmen - durchaus über mehrere Jahre andauernden Krisenstadien bei einer Unternehmergesellschaft sehr zügig und evtl. parallel durchlaufen werden.

 

Für die Gesellschafter, Geschäftsführer und Berater einer Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) ist es deshalb erforderlich, in einem ersten Schritt zu identifizieren, welches Ausmaß die Krise bereits angenommen hat, eine Zuordnung des tatsächlichen Zustandes zu einer der Krisenphasen vorzunehmen und geeignete Maßnahmen zur Überwindung der Krise zu ergreifen. Vgl. in diesem Zusammenhang auch meinen Beitrag "Wann ist bei einer Schieflage der Unternehmergesellschaft zwingend die Gesellschafterversammlung einzuberufen?" Die Darstellung der oben angedeuteten Maßnahmen würde an dieser Stelle den Umfang dieses Artikels sprengen. Ich verweise deshalb auf meinen Ratgeber "Praxiswissen Sanierungsmanagement - Bewährte Wege aus der Unternehmenskrise".

 

Erfolgt kein frühzeitiger Eingriff, so werden sich nach meiner Erfahrung die Probleme in den späteren Krisenphasen weiter aufsummieren.

 

Sanierungsfachleute gehen im Rahmen einer Unternehmenskrise im Regelfall von den folgenden Krisenstadien aus:

Idealtypischer Krisenverlauf: Die Krisenstadien

Phase 1: Stakeholder-Krise

 

Die Stakeholder- Krise ist häufig der Ausgangspunkt einer Unternehmenskrise.

 

Sie zeichnet sich durch Konflikte (z.B. Interessenkonflikte) innerhalb der sogenannten Stakeholder aus, die auf die Belegschaft ausstrahlen. Häufig werden unumgängliche Entscheidungen verhindert bzw. blockiert. Notwendige Veränderungen oder Neuausrichtungen unterbleiben aufgrund von mangelnder Erkenntnis oder Akzeptanz. 

 

Die Stakeholder-Krise ist schwer erkennbar, so dass sie oftmals weder intern durch Unternehmensangehörige noch extern durch Außenstehende wahrgenommen wird.


Phase 2: Strategiekrise

 

Die Strategiekrise (auch Strukturkrise) ergibt sich häufig als Folge einer Stakeholder-Krise.

 

Sie ist in erster Linie durch eine unklare, fehlerhafte oder fehlende Einschätzung der Wettbewerbssituation bzw. Marktentwicklung und/oder durch eine unzureichende Kundenorientierung, die die Wettbewerbsfähigkeit (Innovationsverlust!) verringert, erkennbar. 

 

In der Folge sind Fehlentscheidungen der Unternehmensleitung, Fehlinvestitionen sowie Investitionen in nicht marktgängige Produktinnovationen zu beobachten, die zu sogenannten strategischen Lücken und strukturellen Defiziten führen. Kennzeichnend für die strategische Krise ist, dass die als Basis für den künftigen Unternehmenserfolg dienenden wesentlichen Tätigkeiten gestört sind. Langfristig entscheidende Erfolgsfaktoren sind aufgebraucht und nicht rechtzeitig durch neue ersetzt worden. 

 

Im Ergebnis ist das Unternehmen nicht mehr marktgerecht ausgerichtet. Die Produkte oder Dienstleistungen sind vermutlich nicht mehr zeitgemäß

 

Oftmals werden Ertragsziele noch erreicht, obwohl die Ursachen der Krise bereits gelegt sind. Deshalb ist im Unternehmen häufig eine unterentwickelte Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit den erfolgskritischen Faktoren anzutreffenIn diesem Krisenstadium sollten folglich die Wettbewerbsfähigkeit sowie die Wettbewerbssituation innerhalb der Branche analysiert werden. 

 

Eine Strategiekrise bedroht das Unternehmen nicht unmittelbar – jedoch dessen Zukunft.


Phase 3: Produkt- und Absatzkrise

 

Als Folge einer Strategiekrise kann sich eine Produkt- und Absatzkrise entwickeln.

 

Sie ist dann gegeben, wenn der Absatz der Hauptumsatz- und -erfolgsträger des Unternehmens zunächst stagniert, später zurückgeht und sich z.B. Vorratsbestände aufbauen. Letztendlich ist keine Wettbewerbsfähigkeit mehr vorhanden. Zudem dürfte ein großer Konkurrenzdruck vorliegen.

 

Resultat dürfte nicht nur eine Zunahme der Kapitalbindung sein, sondern auch die Entstehung gravierender Verluste.

 

Erfahrungsgemäß weist das Unternehmen in diesem Stadium oftmals eine ungenügende Fokussierung auf diejenigen Kunden und Produkte auf, die zumindest auskömmliche Deckungsbeiträge liefern.

 

Die Ursachen können einerseits auf Unternehmensseite in mangelhafter Marketing- und Vertriebsarbeit, Sortimentsschwächen, Qualitätsproblemen, mangelhafter Liefertreue, fehlerhafter Preispolitik oder auch mangelhafter Servicequalität liegen.

 

Eine derartige Situation kann andererseits auch durch Umstände auf der Nachfrageseite bzw. der Branchen- und Konjunkturentwicklung verursacht worden sein. 



Phase 4: Erfolgskrise

 

In der Erfolgskrise (auch Ertragskrise) – als Ergebnis der zuvor durchlaufenen Krisenstadien – werden dann die Eigenkapitalkosten nicht mehr verdient. Ein Renditeverfall tritt ein. Durch nicht aufgehaltene Nachfragerückgänge, einen Preisverfall und Kostensteigerungen je Verkaufseinheit entstehen Umsatz-, Deckungsbeitrags-, und Gewinnrückgänge bzw. Verluste, die bis zur vollständigen Aufzehrung des Eigenkapitals führen, zumal häufig die unabdingbare Kostenanpassung verspätet vorgenommen wird.

 

Neben der betriebswirtschaftlichen Seite gilt es hier unbedingt zu beachten: Eine Besonderheit besteht bei der Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) darin, dass eine Gesellschafterversammlung nicht bereits dann einberufen werden muss, wenn sich aus der Jahresbilanz oder aus einer im Laufe des Geschäftsjahres aufgestellten unterjährigen Bilanz ergibt, dass die Hälfte des Stammkapitals verloren ist (vgl. §49 Absatz 3 GmbHG), sondern „erst“ dann, wenn Zahlungsunfähigkeit droht (vgl. §5a Absatz 4 GmbHG). Letztere ist nach §18 Absatz 2 InsO gegeben, wenn die UG (haftungsbeschränkt) voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungsverpflichtungen zum Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen. M.E. ist jedoch unbedingt anzuraten, dass die Gesellschafterversammlung bereits zu einem früheren Zeitpunkt als dem der drohenden Zahlungsunfähigkeit einberufen werden sollte, um zumindest noch Handlungsspielräume zu haben.

 

Mit der sinkenden Eigenkapitalquote fällt ebenfalls die Kreditwürdigkeit des Unternehmens. Durch eine geschickte, kriseninduzierte Liquiditätspolitik lässt sich die Zahlungsfähigkeit zunächst aufrechterhalten. Mittel zu einer nachhaltigen Sanierung – wie beispielsweise Investitionen in innovative oder neue Produkte – lassen sich jedoch nicht mehr beschaffen.

 

Eine Sanierung ohne Kapitalzuführung ist nach meiner Erfahrung nur schwer realisierbar.


Phase 5: Liquiditätskrise

 

Spätestens mit Eintritt der Liquiditätskrise ist die Überlebensfähigkeit des Unternehmens gefährdet. So liegt eine Liquiditätskrise dann vor, wenn die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens gefährdet oder gestört ist. Eine sich zuspitzende Liquiditätskrise kann - wie bereits oben angedeutet - zum Insolvenzgrund führen.

 

Am Rande: Viele Unternehmer sprechen erst jetzt von einer Krise - dabei befinden sie sich bereits im Endstadium der Krisenentwicklung.

 

Die Finanzmittel fließen vorrangig in die Verlustfinanzierung und dienen nicht mehr der Finanzierung des operativen Geschäftes.

 

Häufig werden mit Eintritt in die Krise weitergehende Probleme im Rahmen der Finanzierungsstruktur erkennbar. In der Vergangenheit dürften bereits Kommunikationsprobleme mit der Bank aufgetreten sein. Zudem sind oftmals die Kreditlinien bzw. Sicherheiten ausgereizt. 


Phase 6: Eintritt der Insolvenzreife

 

Werden in den zuvor beschriebenen Krisenstadien keine geeigneten Maßnahmen zur Gegensteuerung ergriffen, so droht die Gefahr des Eintritts der sog. Insolvenzreife.

 

Dabei ist zu klären, zu welchem Zeitpunkt die betriebswirtschaftliche Krise in die insolvenzrechtlich relevante Krise übergeht, was an dieser Stelle nicht diskutiert bzw. thematisiert werden soll.


Zuspitzung im Zeitverlauf

 

Im Rahmen des typischen Verlaufes einer Unternehmenskrise spitzen sich die vorgenannten Krisenphasen in der Regel im Zeitablauf zu, bewirken ein stetiges Absinken des Handlungsspielraums sowie eine ebenso stetige Zunahme der „Summe der versäumten Gegenmaßnahmen“.

 

Deshalb bleibt festzuhalten: Je eher auf die erkennbaren Signale reagiert wird und je früher und konsequenter Gegenmaßnahmen eingeleitet werden (können), desto größer sind die Aussichten, dass die Probleme der Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) erfolgreich bewältigt werden können.

 

In der Praxis beginnen typische Sanierungsmaßnahmen oftmals leider erst in der späten Phase der Liquiditätskrise.

 

Autor:  Rinteln


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